Schicksalhafter Abschied – Der Anfang

 

In der Jetztwelt…

 

Es war der Tag gekommen, an dem Tiya sich von ihrer geliebten Katze Shiva verabschieden musste. Tiya fühlte sich innerlich gebrochen, auch wenn sie versuchte, stark zu bleiben. Shiva war mehr als nur ein Haustier; sie war eine Seele, die ihr Herz berührt hatte. Ein Gefühl der Traurigkeit umhüllte sie wie ein schwerer Mantel, während Shiva, die stets treue Begleiterin, ihre letzten Lebenskräfte sammelte. Doch bevor die kleine Katze die Reise über den Regenbogen antreten würde, wollte sie Tiya noch ein ganz besonderes Geschenk hinterlassen.

In den letzten Minuten ihres gemeinsamen Lebens legte sich Shiva sanft in Tiyas Schoß. Ihr Köpfchen schmiegte sie in die schützenden Hände ihrer geliebten Menschenmama. Für einen innigen Moment war die Welt still; das sanfte Schnurren der Katze füllte die Luft mit einer Wärme, die Trost versprach. In diesem Augenblick durchfuhr Shiva jedoch ein tiefes Gefühl des Schmerzes. Instinktiv biss sie in die Haut von Tiyas rechtem Unterarm — ein Biss, der all ihre Liebe und Zuneigung enthielt, aber auch eine Botschaft, die erst Jahre später verstanden werden würde.

 

Als Shiva sich schließlich von dieser Welt verabschiedete und in der Anderswelt eine Sonne aufging, ließ sie Tiya in einem Meer aus Kummer und Trauer zurück. Die Spielregeln des Lebens waren manchmal grausam, und obwohl Shiva nicht zurückkehren konnte, wusste sie, dass sie nie wirklich fort sein würde. Tiya hingegen wünschte sich nichts sehnlicher, als nach Hause zu gehen und sich in ihre Decke zu hüllen, um in den Tränen ihrer Trauer zu schwimmen.

Das Leben, so schien es, war ungerecht, und der Drang, sich in der Decke zu vergraben und um die verlorene Freundin zu weinen, war überwältigend. Nichtsahnend, welche Kettenreaktion dieser kleine Biss auslösen würde.

Am nächsten Morgen war Tiya vom Schmerz in ihrem Arm geplagt, sodass sie unmöglich zur Arbeit gehen konnte. Sie beschloss, einen Arzt aufzusuchen, doch was als kurzer Besuch gedacht war, endete in einer unerwarteten Hospitalisierung. Ihr Aufenthalt im Krankenhaus führte schließlich zu einer Operation. Wochen vergingen, in denen Tiya mit quälenden Schmerzen kämpfte. Ihr rechter Arm, einst voller Leben, hing nun schlaff an ihrem Körper. Ihre Suche nach Heilung wurde zu einer verzweifelten Odyssee, doch die Ärzte konnten keine Lösungen finden. Eine schreckliche Diagnose erfolgte dann nach einem Jahr der Unwissenheit, Verzweiflung und etlichen weiteren Arztbesuchen: ein chronisches Schmerzsyndrom im fortgeschrittenen Stadium.

 

Der Schock schnitt tiefer als jeder körperliche Schmerz. Dennoch trug Tiya nie auch nur einen schlechten Gedanken gegen Shiva in sich. Die Katze hätte ihr nicht wissentlich Leid zugefügt. Vielmehr nagte die Frage an ihr: Was bedeutete dieser Biss?

Die Suche nach Antworten wurde zur täglichen Aufgabe. Wochen und Monate zogen ins Land,
ohne dass sich etwas verbesserte oder sie eine Antwort auf Ihre Frage erhielt. Langsam zerrte der Druck der Umstände an ihrer Psyche; die Einsamkeit und Trauer wollte sie mehr und mehr vereinnahmen. Doch eines Tages sah Tiya ein Bild zweier Paradiesvögel, das in ihr eine tiefe Resonanz auslöste. Sie fühlte sich berufen, diese Schönheit festzuhalten und griff mit ihrer schmerzenden Hand nach Papier und Farbstift.

Wie eine Kriegerin kämpfte, sie sich durch die Herausforderungen des Zeichnens. Jeder Strich war ein kleiner Sieg über den Schmerz, und Tag für Tag widmete sie sich dieser neuen Leidenschaft. Schließlich entstand ein paradiesisches Bild, das ihre Seele nährte. Es wurde zum Anker ihrer Gedanken; immer wieder tauchte sie in diese kreative Welt ein.


Mit jedem Kunstwerk, das sie schuf, erkannte Tiya, dass diese kreativen Prozesse das Zusammenspiel ihrer Verletzungen waren. Es war wie ein magisches Puzzle, Teil für Teil zusammen kombiniert, bis am Schluss ein Bild entstand, unzählig miteinander kombinierbar. Mit der Zeit verstand sie, dass Shivas Biss nicht nur ein Zeichen des Schmerzes, sondern eine Einladung zur Selbstheilung und Kreativität war. Es war der Schlüssel zu Vantiyasiens, einer fantastischen Welt, die nur darauf wartete, erweckt zu werden.

 

 

Und so wurde Tiya, mit der Entdeckung ihrer Bestimmung, zu einer Künstlerin, die nicht nur ihre eigene Geschichte erzählte, sondern auch die Geschichten Vantiyasiens lebendig werden ließ. Zeile um Zeile, Bild für Bild — das Mosaik formte sich immer mehr zu einem grossen Bild, und mit ihm die Heilung von Körper und Geist. Shiva mochte ihren physischen Körper verlassen haben, doch sie lebte weiter in der Anderswelt, die Tiya erschuf und in den Botschaften, die sie auf diese Weise übermitteln würde.